Nokan - Die Kunst des Ausklangs

Review

Nokan - Departures CoverDaigo verdient sich seinen Lebensunterhalt als Cellist in einem kleinstädtischen Orchester. Als die Zuschauerzahlen immer weiter abnehmen, wird ihm mitgeteilt, dass das Orchester aufgelöst werden muss. Der sowieso schon von Geldproblemen geplagte Daigo sieht durch diesen Verlust keine Zukunft mehr für sich in der Stadt und beschließt in sein Heimatdorf zurückzukehren, um einen Neuanfang zu starten. Seine fürsorgliche Frau Mika unterstützt ihn bei dieser Entscheidung und zeigt sogar Verständnis als Daigo ihr beichtet, dass er einen enormen Kredit aufnehmen musste, um damals sein Cello finanzieren zu können. Nachdem nun sein Dasein als Cellist vorüber ist, braucht er auch das teure Cello nicht mehr und durch den Verkauf hat dass Paar erst einmal ein kleines finanzielles Polster. In seiner Heimatstadt angekommen stößt Daigo schnell auf eine Stellenanzeige, die zunächst den Anschein macht, es handele sich um einen Job in einem Reisebüro. Noch bevor ihm klar wird, für welchen Job er sich tatsächlich beworben hat, wird er von seinem neuen exzentrischen Chef Sasaki schon eingestellt. Daigo muss feststellen, dass mit der Reise nicht etwa ein Urlaub gemeint war, sondern dass es sich dabei um die letzte „Reise“ handelt, die jeder Mensch antritt. Ab sofort ist es Daigos Aufgabe Verstorbene nach alter japanischer Tradition ins Jenseits zu verabschieden.

Daigo geht nun als Bestatter in seinem Heimatdorf einer Tätigkeit nach, die gesellschaftlich wenig Ansehen genießt, ja sogar teilweise verachtet wird. Dieser Bruch der Konventionen stellt in Nokan die Hauptproblematik dar, ist für mich als Solche allerdings nicht nachzuvollziehen. Abgesehen davon behandelt der Film die an sich ernsten Themen Vergänglichkeit, Verlustängste sowie Tod und geht mit diesen sehr respektvoll um, schafft es aber dennoch nicht allzu trübselig zu wirken. Vor allem gelingt das durch elegant platzierte schwarzhumorige Seitenhiebe, die über weite Teile des Films verteilt sind. Dabei kommt es nie zu einem völligen Stimmungsbruch durch allzu klamaukige Einlagen. Nokan erlaubt dem Zuschauer damit lediglich ein kurzes Aufatmen. Zum Ende hin werden diese Elemente deutlich reduziert, bis in der letzten halben Stunde letztendlich nur noch eine bedrückend melancholische Stimmung bleibt, die auch aus den emotionsresistenten Cineasten das ein oder andere Tränchen hervorzubringen vermag. Lediglich durch den übermäßigen Einsatz des an sich sehr gelungenen Soundtracks wirkt Nokan zeitweise etwas kitschig.

In dem, mit dem Auslands-Oskar preisgekrönten Film Nokan bleibt Daigos neu gefundene und in der Gesellschaft gering geschätzte Berufung sowie der dadurch gewährte Einblick in die japanischen Rituale um Tod und Trauer, leider das einzig Originelle. Die Handlung hält keine Überraschung bereit und läuft gradlinig nach altbekannten Schemen ab. Auch der Charakter von Mika als immer lächelnde und ganz ihrem Mann untergeordnete Ehefrau, bleibt der traditionellen und aus heutiger Perspektive überholten Sichtweise treu.

Nokan ist nicht sonderlich spektakulär oder glänzt durch aufregende Wendungen. Die Besonderheit, die den Film ausmacht, liegt in seinem feinfühligen Umgang mit Vergänglichkeit und Tod. Es werden Fragen aufgeworfen, die nicht nur die Protagonisten quälen, sondern auch in jedem Menschen schlummern. Obwohl Nokan des Öfteren etwas dem Kitsch verfällt, bleibt der Film doch ein stimmiges Drama, das zudem noch weiß mit einem sehr ruhigen und bewussten Erzählstil gepaart mit wunderschönen Bildkompositionen zu beeindrucken.

 

(Spoiler)

Aus westlicher Sicht ist Nokan in Teilen schwer nachzuvollziehen. Vor allem die große Problematik, dass Daigo mit seinem neuen Job auf so viele Probleme stößt. Sein alter Freund, der ihn noch zuvor herzlich in der alten Heimat begrüßt hat, möchte nun nichts mehr mit ihm zu tun haben. Und sogar seine vorher so verständnisvolle Frau, die jeden Schicksalsschlag zum Wohle ihres Mannes mit einem Lächeln hinzunehmen schien, packt kurzerhand die Koffer, als sie erfährt, womit ihr Mann seinen Lebensunterhalt verdient. Das er mit dem Präparieren von Toten nicht grade einen Beruf gefunden hat, von dem man auf Cocktailpartys erzählt, sehe ich ein. Aber dass er aufgrund seines Jobs nun von seinen Nächsten geächtet wird, macht für mich kaum Sinn, besonders in Anbetracht der sonst so traditionsbewussten Japaner. Ich habe in einer anderen Review den Vergleich zu einem Henker im Mittelalter gelesen, mit dem auch in der westlichen Kultur damals niemand verheiratet sein wollte. Dieser Vergleich hinkt jedoch, da die beiden Tätigkeiten kaum vergleichbar sind. Bei Daigos Arbeit geht es darum besonders feinfühlig, ordentlich und präzise zu sein und seinen Kunden den Abschied von ihren Liebsten so schön (insofern man das Wort „schön“ hier verwenden kann) zu machen wie nur möglich. Zumal jeder, der eine traditionelle Bestattung wünscht, auf Daigo oder jemanden mit seiner Profession angewiesen ist. Und grade bei der Verabschiedung seiner Liebsten möchte man auch einen besonders kompetenten Bestatter. (Spoiler Ende)

Fazit

Wer bereit ist, die Zeit zu investieren und Lust auf ein langsam aber herzlich erzähltes Drama hat, ist bei Nokan genau richtig. Dabei sollte man sich bewusst sein, dass Nokan keine leichte Kost ist und trotz einiger humoristischer Einlagen, schon bedingt durch seine Thematik, ein sehr melancholischer Film bleibt.